Mittwoch, 8. Juni 2022

Ode an die Lisl

555.555 km! Das alles sind wir Beide zusammen gefahren! Wow, meine liebe Lisl, das ist eine phantastische Leistung! Diese Kilometerzahl hast Du natürlich nicht auf einem Autobahn-Parkplatz erreicht, sondern - wie könnte es anders sein - auf einer grobschottrigen Bergstraße, die eigentlich gesperrt ist.
Seit 34 Jahren sind wir nun verheiratet! Das bedeutet, Du hast jährlich gut 15.000 km zurückgelegt, obwohl Du eine Babypause und eine lange Corona-Pause eingelegt hast, wo ich Dich schmählich im Stich gelassen habe. Auf unserer größten Reise hast Du mich über 40.000 km in 6 Monaten durch den ganzen amerikanischen Kontinent geschaukelt. Du hast mich über Sanddünen und durch reißende Flüsse getragen, ausgewaschene Bergpfade und lange Autobahnstrecken zurückgelegt, wilde Geländetrainings mit mir absolviert und jeden Blödsinn mitgemacht, den ich angestellt habe. 4 Kontinente haben wir zusammen besucht! 
Es war nicht alles klag- oder leidlos. Du hast leichte und schwere Krankheiten überstanden. Durch Südamerika hast Du Dich mit defekter Zündspule gekämpft, in Norwegen bist Du fast gestorben, aber mit letzter Kraft hast Du mich nach Hause gebracht. Und dann bist Du bei einem Unfall wirklich ums Leben gekommen. Dein Herz und Deine Organe leben aber mit einem neuen Skelett weiter.
Lass uns gemeinsam weiter alt werden und uns treu bleiben!

Und nun zum üblichen Teil - wie es mir geht und wie der Tag verläuft:
Nach einer fast schlaflosen Nacht stehe ich früh auf, es beginnt eben leicht zu regnen. Schnell alles einpacken, auf besseres Wetter hoffen und vielleicht den heutigen Fahrtag kurz halten? Das Wetter passt zum Gemütszustand: kühl und undurchsichtig. Immerhin bleibt es vorerst trocken. Ein schönes, gemütliches und kurviges Sträßchen führt uns Richtung Hellesylt.

Und plötzlich - oh Schreck, nicht schon wieder! Versperrt da etwa die AIDA schon wieder die schöne Aussicht??? Nein, es ist ein englisches Kreuzfahrtschiff, aber das macht die Sache nicht besser. Diese Massen-Menschhaltung auf See muss doch grausam sein! 
"Geiranger" ist angeschrieben. Nicht, dass wir da hin wollten, aber mein Navi zeigt da keine Straße an. Ah ja, da gibt es doch eine Fähre von Hellesylt nach Geiranger...ich vergaß. Leider haben wir jetzt wieder einige Tunnels vor uns. Und dann einige Fähren - die machen Spaß und sind erholsam. Und man lernt Gesinnungsgenossen kennen.
Wir nähern uns der magischen Kilometerzahl auf Lisls Tacho. Die Tunnels liegen hinter uns und wir dürfen Richtung Fjell kurven. Aber da prangt ein neongelbes, riesiges Schild "gesperrt - wegen Winter"! Sehr schade! Während wir noch nachdenken und wenden, kommt eine Truppe dänischer Rennradfahrer über den groben Schotter angefegt. Die Männer strahlen vor Stolz über das hinter ihnen liegende Abenteuer! Ich soll unbedingt hier hoch fahren. Nix gesperrt! Nur 3 km grober Schotter, dann kommt wieder Asphalt. Lisl, das machen wir! Genau dort, auf den abenteuerlichen Abwegen darfst Du Dein Jubiläum feiern.

Nächstes Ziel ist Molde und der Atlanterhavsveien. Eigentlich wollte ich mir den für morgen aufheben, aber der Wind bläst uns kalt und böig ins Gesicht. Er frischt sogar bis zum Sturm auf und es gibt keinen geschützten Platz. So setzen wir uns eben mutig auf den hohen Brücken den Winden aus. Ich friere und möchte einfach nur noch ein windstilles Plätzchen! Da leider auch danach lange kein geeigneter Platz für die Nacht zu finden ist, erlauben wir uns heute mal einen "richtigen" Campingplatz. Der ist geschlossen - steht da. Aber er ist voll besiedelt und es gibt auch einen Chef. 200 Kronen will der haben! Als ich andeute, dass mir das viel vorkommt, meint er, ich könne ja auch nix bezahlen. Hm. Ok, er kriegt sein Geld und ich genieße dafür saubere Toiletten, warmes Wasser, Internet und einen Abend im historisch eingerichteten Fischerhaus.







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