Dienstag, 7. Juni 2022

wenig Kilometer

Meine Theorie wird bestätigt: die Sonne versteckt sich zwar, aber es wird die ganze Nacht hindurch nicht dunkel. Wir haben also die sogenannten "weißen Nächte". Am Morgen steht sie schon sehr früh hoch am Himmel und wärmt das Zelt - obwohl das gar nicht erforderlich ist. Die Nacht war viel wärmer als erwartet. Die Katzenwäsche findet heute mit Gletscherwasser statt, ebenso der morgendliche Kakao. Zur Morgengymnastik begrüßen mich ein verirrter Kuckuck und ein Bachstelzchen.
Gerade als die ersten Motorradfahrer vorbeirollen, schlägt auch Lisls Herz wieder. Sie seufzt noch etwas - ist ihr 9 Uhr etwa zu früh? Auch der Rückenprotektor in der Jacke ist noch steif und unförmig von der Nacht.



Landschaft und Straßen sind einfach unbeschreiblich - auch in Fotos kann man die Schönheit nicht wirklich festhalten. Auf den eingezäunten Wiesen grasen mehr Ziegen als Schafe. Wir gondeln hier durch die herrlichste Landschaft die man sich vorstellen kann bei dem allerbesten Wetter. Dennoch fliegt alles ziemlich unbemerkt an mir vorbei - meine Gedanken sind gefangen in nervigen und unverständlichen Nachrichten aus Deutschland. Ein Autofahrer, der mich fast an die Leitplanke drückt und erst im allerletzten Moment das Steuer herumreißt, tut ein Übriges dazu.

Die Mittagspause an einer Tankstelle neben einem hübschen Fluss dauert ganze zwei Stunden, nur um meinen "Bürokram" zu erledigen. Und dabei habe ich noch nicht einmal die für mein norwegisches Leben wichtigen Dinge (Studium und Glasfaserkabel) gemacht. Immerhin bringt es mir nun einen freien Kopf und wir können uns wieder auf unsere Reise konzentrieren. Mit meinem Pfadfinder bin ich heute recht zufrieden, er findet nette Alternativen zu den großen und viel befahrenen Europastraßen. Auch das Handy spielt mit und entlädt sich nicht. Sehr lange dürfen wir um den See Jølstravatnet herumkurven. In der Ortschaft Breim kommt uns ein Kütschchen entgegen, dessen Zugpferd anscheinend gerade angelernt wird. Kurz darauf grüßt uns eine kleine Herde Fjordpferde - hier scheint ein Gestüt oder zumindest ein Reiterhof zu sein. Kunststück - wir sind ja schließlich gerade in Fjord-Norwegen. Fjordpferde sind übrigens meine Lieblingspferde!

Unscheinbar ist an der Straße der "Eidsfossen" angeschrieben. Wenn ein Wasserfall ein Hinweisschild wert ist, dann ist er vielleicht sehenswert?  Ein gut berfahrbarer Erdweg führt uns zum angrenzenden Kraftwerk, der beeindruckende Wasserfall selbst scheint von den Touristen verschont zu sein. Auf jeden Fall! Der angenehme Nebeneffekt - mein Pfadfinder entdeckt noch weitere Abwege zur Hauptstraße.

Huch - die Straße endet? Eine Fähre steht schon in den Startlöchern aber die Schilder über den Parkspuren, wohin sie fährt kann ich so schnell gar nicht lesen. Na gut, dann nehmen wir eben ein "Schiff nach Irgendwo". Direkt hinter mir schließt sich die Schranke und die Fahrt geht los. Die Überfahrt ist kurz aber ich habe immerhin genug Zeit, zu schauen, dass wir richtig unterwegs sind. Gleich droht uns wieder ein Tunnel und danach landen wir in Nordfjordeid - dort gibt es eine Niederlassung von "Biltema". Die haben genau den Handyhalter, den ich jetzt brauche und Handschuhe, da meine aktuellen schon ziemlich zerfleddert sind. Direkt vor dem Geschäft parkt schon wieder die AIDA! Auch schon da? Und natürlich mit den ganzen Touris. 2 davon schlendern an der Lisl vorbei und der eine sagt zu seinem Kummpel mit interessiertem Blick auf das Motorrad "so muss ein Moped aussehen!". Das freut mich!

Nur wenig später finde ich einen tollen Platz; auch wenn wir heute nicht weit gefahren sind, habe ich für den Abend noch einiges vor. Ein Waldstückchen mit Nadelboden an einem See, die wenig befahrene Straße nebenan. Kaulquappen tummeln sich in Ufernähe. Es gibt einen Tisch, aber ohne Bank. Das stört mich nicht, denn mein Einbeinhocker ist ja auch noch da. Im Lauf des Abends kommen ein paar Autos und Wohnmobile vorbei, aber als sie sehen, daß ich schon Besitz von dem Fleckchen ergriffen habe, verziehen sich alle wieder. Ich bleibe sehr gerne alleine. Da kann ich ein wenig an der Lisl rumschrauben und die Navigationsgeräte ordentlich verbauen. Bin gespannt, ob sich meine Lösung morgen bewähren wird. Um die Griffheizung mag ich mich immer noch nicht kümmern - vielleicht bin ich ja auch von dem herrlichen warmen Wetter zu sehr verwöhnt? Zum Baden ist mir das Wasser zwar doch zu kalt, aber eine ordentliche Wäsche für Körper, Haare und Wäsche ist auf jeden Fall drin. Ein wunderschöner Abend mit diesem frischen Gefühl!




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen